Abnehmspritzen auf dem Prüfstand

eine differenzierte Betrachtung des Themas

Das Thema der Abnehmspritzen erhitzt unsere Gemüter. Von „damit stielt man den Diabetikern die Medikamente“ bis „endlich ein Heilmittel für Adipositas“ findet man alles im Netz. Ich versuche in diesem Beitrag, das Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Mein Ziel ist, dass du dir am Ende aufgrund von verschiedenen Fakten eine fundierte Meinung bilden kannst. Beginnen wir zunächst mit den Basics…

Adipositas- eine chronische Erkrankung

Seit dem Jahr 2000 ist Adipositas (BMI ≥ 30) als chronische Erkrankung von der WHO anerkannt. Viele Faktoren können zu schwerem Übergewicht führen. Doch keine andere Erkrankung wird so sehr in die „selbst Schuld Rubrik“ eingeordnet. Wir wissen mittlerweile um viele verschiedene Auslöser dieser Erkrankung und auch, wozu sie führen kann. Denn Übergewicht und Adipositas können Verursacher von bis zu 100 Folgeerkrankungen sein. Fettleber, Diabetes Typ 2, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs usw. 

Dennoch tun wir sehr wenig, um die vielen Kinder und Erwachsenen vor diesen Erkrankungen zu schützen. Nun haben wir auf der einen Seite eine chronische Erkrankung und auf der anderen Seite mehrere Therapieansätze, die für die meisten Menschen nicht leistbar ist. Hier spreche ich nicht nur über die Abnehmspritze, auch die dringend benötigte Ernährungstherapie auf Krankenschein lässt seit Jahrzehnten auf sich warten.

Adipositas verursacht 5 % der Gesundheitsausgaben und fordert ca. 4.000 jährliche Todesfälle. Von den Gesundheitsausgaben in Österreich fallen 18,6% auf Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten. (IFASV, Okt. 2024)
Menschen die mit 45 Jahren an Hochrisiko-Adipositas leben, verlieren knapp 5 Lebensjahre und sogar knapp 10 gesunde Lebensjahre. Adipositas sollte endlich als das angesehen werden, was es ist. Eine Epidemie und ein zentrales Problem der öffentlichen Gesundheit sowie unserer Wirtschaft. (ÖAA, Presseaussendung)≥

Wie wirken Abnehmspritzen?

Einmalspritzen und ein Maßband, Abnehmspritzen

Die Wirkstoffe der Abnehmspritzen gehören zu den sogenannten Inkretinmimetika. Sie ahmen die Hormone GLP-1 und manche auch das Hormon GIP nach. Wir bilden diese Botenstoffe in unserem Darm und tragen damit zur Steuerung des Blutzuckers und der Hunger-Sättigungssteuerung bei.  Das Medikament dockt an Rezeptoren an, so wie es unsere körpereigenen Hormone auch machen würden.  Das führt zu:

  • Verbesserter Sättigung
  • Verzögerter Magenentleerung
  • weniger Dopamin-Kick
  • Verbesserte Insulinantwort
  • Vermehrte Lipolyse
Wenn du mehr Details dazu möchtest, kannst du im folgenden Abschnitt Antworten finden. Ansonsten kannst du zum nächsten Kapitel „Zielgruppe“ hüpfen.

Verbesserte Sättigung & Magenentleerung

Das Hormon GLP-1 bremst die Nahrungsaufnahme durch schneller eintretende Sättigung. Gleichzeitig aktivieren die Abnehmspritzen auch unseren Vagusnerv, der die Verdauung dadurch einbremst. Das bedeutet, die Nahrung wird nicht so schnell zerlegt und der Magenschließmuskel bleibt länger verschlossen. Das führt zu rascherer und länger andauernder Sättigung.

Dopamin Kick & Food noise

Viele Patienten und Patientinnen berichten, dass sie mit Hilfe der Abnehmspritzen weniger Lust auf Süßes, Alkohol oder Fast Food haben. Die genauen Hintergründe sind nicht völlig aufgeklärt, der Botenstoff Dopamin spielt aber eine Rolle. Er löst normalerweise diese gute Gefühl nach Schokolade, Alkohol und Burger aus. Offenbar wird durch die Spritze der Dopamin Kick gedämpft. Dieser Effekt macht sich in der Praxis durch weniger Alkohol und oftmals auch Nikotin bemerkbar. 

Das betrifft auch das Thema Food noise. Darunter versteht man ständige Gedanken an Essen, die nicht unbedingt mit Hunger zusammenhängen. Eine Art von Essensgedankenkarusell, dass es für betroffene Personen oft schwer macht, sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Food noise kann durch Stress, Hormone, aber auch durch ständige Verfügbarkeit von Nahrung verstärkt werden. Die Abnehmspritzen können das Gedankenkarusell positiv beeinflussen.

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Blutzucker, Insulin und Glucagon

Die Abnehmspritzen wirken auch auf die Insulinausschüttung.  Dadurch gelangt der Zucker in die Zellen und kann dort als Energiequelle genutzt werden. Somit sinkt der Blutzuckerspiegel. Abnehmspritzen mit zusätzlichem GIP Hormon sind hier noch effektiver. Glucagon fördert die Speicherung von Fetten, die Abnehmspritzen hemmen diese Wirkung. 
 
Ursprünglich wurden diese Medikamente für Diabetiker entwickelt, dann sah man, welche Zusatzeffekte die Therapie noch hatte. 

Welche Zielgruppe gibt es und wer übernimmt die Kosten?

Eingesetzt werden können die Spritzen bei Diabetes (wenn z.B. HbA1c Ziel nicht erreicht wird) oder zusätzlichem Übergewicht und/oder ein hohes Herz-Kreislaufrisiko besteht. (Sehr detailliert in den ÖDG Leitlinien zum Nachlesen)

Bei Adipositas (=BMI >30) als Zusatztherapie zur Lebensmittelmodifikation. Es gibt auch Erkrankungen, wo die Abnehmspritzen nicht eingesetzt werden dürfen. Dies obliegt aber der Ärztin bzw. dem Arzt, zu entscheiden, ob die Verwendung der Spritze sinnvoll ist. 

Es gibt auch Non-Responder: das bedeutet, es gibt 10-30% der Patienten, die trotz Abnehmspritzen das Gewicht um weniger als 5% reduzieren können. 

 

Euroscheine aufgefächert in einer Hand

Krankenkassen übernehmen derzeit (Okt. 2025) die Kosten für Inkretinmimetika nur, wenn sie zur Behandlung von DM Typ 2 verschreiben werden. Zur Behandlung von Übergewicht und Adipositas müssen die Personen die Spritze privat bezahlen. Je nach Medikamententyp, können hier Kosten von mehreren hundert Euros pro Monat entstehen.

Was ergänzt eine Therapie mit Abnehmspritzen?

Zusätzlich zur Verwendung der Abnehmspritzen sollte eine Ernährungsberatung stattfinden. Als Diätologin arbeite ich mit vielen Ärzten und Ärztinnen zusammen, die bereits vorab der Verordnung der Spritze zu einer Ernährungsberatung überweisen.  Das ist sehr hilfreich für die Patienten. Beim Erstgespräch ermittle ich mit Hilfe der BIA-Messung immer die Körperzusammensetzung der Person. Diese Ausgangslage ist sehr wertvoll, um die optimale Zufuhr von Nährstoffen zu ermitteln. 

Ernährungsberatung, BIA MEssung

Eine Besonderheit der Spritze kann sein, dass durch die verminderte Nahrungsaufnahme auch zu wenig Nährstoffe gegessen werden und es zu einem Muskelverlust kommt. 

Bei einer Gewichtsreduktion ist Muskelerhalt und Fettverlust ein wichtiges Ziel. Wenn unser Körper Muskel anstelle von Fett abbaut, kann dies ein Zeichen von zu wenig Nährstoffzufuhr und/oder nicht abgestimmtes Training sein. 

Auch um dem Jojo-Effekt vorzubeugen, ist der Erhalt der Muskulatur sehr wichtig! 

BIA Messung einer Frau
Das ist ein BIA Messbericht. Der Bericht liefert wertvolle Infos für dein Beratungsgespräch.

Mit Hilfe von regelmäßigen BIA-Messungen kann die Gewichtsabnahme sowie die Ernährungstherapie noch individueller gestaltet werden.

Das Gewicht auf der Waage kann auch manchmal lügen. Gerade Personen die mit Krafttraining beginnen erfahren manchmal einen Stillstand auf der Waage. Das rührt daher, dass Muskeln schwerer sind und erst durch die BIA-Messung wird sichtbar, dass z.B. Muskelmasse zugenommen und Fettmasse abgenommen wurde. Die BIA-Messung ist also auch ein Motivator wirklich dran zu bleiben und das langfristige Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Der regelmäßige Kontakt in der Ernährungsberatung hilft auch mit Rückschlägen oder schwierigen Situationen (Essenseinladungen, Urlaubsreisen, Verletzungen und Sportpausen usw.) umzugehen. 

Termin vereinbaren?

Wie lange verwendet man Abnehmspritzen und welche Gewichtsabnahmen können erreicht werden?

Die Gewichtsabnahmen sind je nach Ausgangslange sehr unterschiedlich. In klinischen Studien reduzieren die Abnehmspritzen das Gewicht im Bereich von 5-18 %. Es werden mit Hochdruck auch an Medikamenten geforscht die noch mehr Gewichtsverlust ermöglichen.

Auszug aus der SURMOUNT Studie
In der SURMOUNT Studie (Tirzepatid = GLP-1 und GIP Hormon) wurde unterschieden zwischen Teilnehmern mit und ohne Diabetes mellitus 2. 
Personen ohne Diabetes konnten mit der Spritze nach 72 Wochen mit der Dosierung 5mg einen Gewichtsverlust von -16 % erreichen. In der höchsten Dosisstufe von 15 mg waren es -22,5 %. 
Personen mit DM Typs konnten in der 10mg Dosierung nach 72 Wochen -13,4 % erreichen, in der höchsten Dosisstufe von 15 mg waren es -15,7 %. Je nach Zusatztherapie des Diabetes mellitus können auch höhere Gewichtsabnahmen erreicht werden. 
Für das Ergebnis spielt natürlich auch das Ausgangskörpergewicht, sowie Diabetesdauer, Bewegung und Alter eine Rolle.

 

Spritzen sind keine Wundermittel

Eine Frau mit einer Langhantel beim Kreuzheben.

Ein Absetzen der Abnehmspritzen führt bei vielen Personen zu einer erneuten Gewichtsabnahme. Es ist eine zusätzliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Lifestyle für eine dauerhafte Gewichtsreduktion notwendig. Ernährungsberatung, regelmäßige Bewegung, Aufbau von Muskelmasse, psychologische Unterstützung bei emotionalem Essen, Verbesserung der Erholung (Schlaf) und Stressbewältigung sind Themen, die immer noch viel zu kurz kommen, wenn es um die Therapie der Adipositias geht. 

Derzeit ist ein Therapieende für Personen, die die Abnehmspritzen nutzen nicht in Sicht. In der Praxis wird aber ein Auslassversuch häufig durchgeführt. Es können auch Dosis-Reduktionen oder ein Umstieg auf eine Mahlzeitenersatztherapie eine Option sein. Wichtig ist, dass hier die Patienten nicht alleine gelassen werden!

Negative und positive Nebenwirkungen

Einer Entscheidung für ein Medikament sollte eine gründliche medizinische Untersuchung zu Grunde liegen. Die Abnehmspritzen werden in unterschiedlichen Dosierungen angeboten und zu Beginn niedriger dosiert. Das hilft, sich daran zu gewöhnen und vor allem die negativen Nebenwirkungen geringer zu halten.
Diese können sein: Übelkeit, Völlegefühl, Erbrechen, Durchfall aber auch Verstopfung, Müdigkeit, Schwindel, Sodbrennen, Gallensteine (sind bei Gewichtsabnahmen generell häufiger)

Viele Menschen berichten über eine Besserung nach den ersten Wochen. Auch hier kann eine begleitende Ernährungstherapie sehr hilfreich sein. Denn auch wenn die Nebenwirkungen meist nicht lebensbedrohlich sind, sie können die Lebensqualität sehr einschränken. 

Vielen Menschen fragen nach Langzeitfolgen. Das lässt sich natürlich nicht ausschließen. Die Wirkstoffgruppe der Inkretinmimetika gibt es aber bereits seit 2005 in der Diabetestherapie. Schwerwiegende Langzeitfolgen sind bis heute nicht aufgetreten. (Quelle: Prof. Smollich, Buch für immer schlank, 2024)

Abnehmspritze Mounjaro
Beispielbild eines Pens, die Abnehmspritzen müssen derzeit einmal wöchentlich injiziert werden.

Durch die sich sehr rasch bessernde Blutzuckereinstellung kann es zu Problemen mit der Netzhaut kommen. Deshalb sollten Diabetiker regelmäßig augenärztlich untersucht werden.

Eine positive Nebenwirkung zeigt eine Beobachtungsstudie, dass bei GLP-1 behandelten Personen weniger Darmkrebsfälle auftraten. Dieser Effekt muss aber noch in weiteren Studien erforscht werden. 

In Österreich hat jede 5. erwachsene Person eine Fettleber. Meist wissen wir davon nicht einmal etwas. Die Leber leidet leise, bis sich erste Veränderungen im Blutbild zeigen. Auch hier sind Abnehmspritzen effektive Helfer. Sie können das Leberfett reduzieren und das verbessert ebenfalls den Zuckerstoffwechsel.

Auch die Nieren- und Herzgesundheit können GLP-1 Antagonisten bei übergewichtigen und adipösen Menschen bessern. 

Problematische Anwendung von Abnehmspritzen

Schwierig wird es, wenn Medikamente in die Hände von Menschen gelangen, für die sie nicht gemacht wurden. Für Personen die bereits normalgewichtig oder sogar untergewichtig sind und sich die Medikamente im Internet besorgen. Die Skinny-Body Revolution treibt viele Personen zu solchen Maßnahmen. Vergessen wir hier nicht, es handelt sich um Medikamente, die einer gründliche medizinische Aufklärung bedürfen und auch Nebenwirkungen haben können. Welchen Einfluss social media und wir als Gesellschaft im Allgemein haben, sieht man in dieser Doku.

Termin vereinbaren?

Fazit Abnehmspritzen

Für adipöse Menschen mit oder ohne Diabetes können Abnehmspritzen hilfreich sein, um das Gewicht senken zu können. Eine Veränderung des Lebensstils ist aber zusätzlich notwendig, um Nebenwirkungen zu minimieren, die Muskelmasse aufrecht zu erhalten und die Gewichtsabnahme langfristig halten zu können.

Abnehmspritze Mounjaro

Wer Angst vor Nebenwirkungen oder Langzeitrisikos hat, sollte mit seinem Arzt bzw. der Ärztin des Vertrauens sprechen. Wir sollten aber auch daran denken, dass langjährige Adipositas viele Nebenwirkungen hat!

Adipositastherapie muss für alle Menschen leistbar werden. Ernährungsberatung, Abnehmspritzen und Mahlzeitenersatzprogramme sollten sinnvoll eingesetzt werden um Menschenleben zu retten und Lebensqualität zu steigern.

Wer Ernährungsbegleitung durch Diätolog:innen sucht, darf sich im Raum Linz und Bezirk Rohrbach gerne an mich wenden oder die Diätologensuche nutzen, um  im eigenen Umkreis eine geeignete Unterstützung zu finden. 

Dieser Artikel war nicht beauftragt, dient nicht als Produktwerbung sondern als Aufklärung für meine Patient:innen und Leser:innen meines Blogs.

Quellen:
Für immer schlank- der Masterplan (Prof. Smollich, 1. Auflage 2024)
Vortrag Inkretine in der diätologischen Praxis (Dr. Bräuer, Sept 2025)
Studie: Nutritional priorities to support GLP-1 therapy for obesity: A joint Advisory from the American College of Lifestyle Medicine, the American Society for Nutrition, the Obesity Medicine Association, and The Obesity Society (Aug. 2025)
Presseaussendung der österreichischen Adipositas Allianz, Okt. 2024

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Andrea

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