Kinder am Esstisch - Ernährungshorizont erweitern
Kinder können bei Familienessen so viel lernen und auch uns Erwachsenen wieder viel Freude an unserem Essen bringen. Wer schon einmal ein Kleinkind mit der Lieblingsspeise gesehen hat, der muss einfach lächeln. Verschmierte Gesichter, ein breites Lächeln und laute „mmmhh“ Ausrufe gehören hier zum guten Ton.
Es gibt auch die anderen Situationen, ein liebevoll gekochtes Essen, die gesamte Familie am Tisch und bevor überhaupt gekostet wird der erste „das mag ich nicht“ oder „iiihhh“ Ausruf. Damit umzugehen ist nicht immer einfach. Ich biete hier kein Patentrezept, ich bin selbst Mama und weiß wie anstrengend das sein kann. Damit wir mit den schönen und nicht so schönen Momenten am Esstisch besser umgehen können, habe ich hier ein paar Punkte gesammelt, die für dich hilfreich sein könnten und vielleicht auch Verständnis für so manche Situation erzeugen können.

Essen ist lernen mit allen Sinnen
Am Esstisch oder beim Kochen und Zubereiten von Mahlzeiten lernen Kinder so viel. Sie lernen Lebensmittel kennen, erfahren Fürsorge (z.B. wenn man ein Baby füttern) und später dann Autonomie (z.B. wenn sie selbstständig essen lernen), spüren Hunger und Sättigung. Gemeinsames Essen ist ein wichtiger Teil unserer Sozialisation. Positive Erfahrungen beim Essen und beim Zubereiten der Mahlzeiten legen den Grundstein für ein lebenslanges, gesundes Essverhalten.
Essen mit allen Sinnen führt manchmal zu einem ordentlichen Chaos am Tisch. Ich dachte früher oft, da liegt ja mehr am Boden als im Mund gelandet ist. Was uns Erwachsene oft nervt ist für Kinder von großer Bedeutung. Kleinkinder essen gerne mit den Fingern, um vorab die Temperatur und die Konsistenz testen zu können. So kann schon eine andere Pastaform große Auswirkungen auf die gegessene Menge haben. Kinder gewöhnen sich an neue Lebensmittel, wenn wir sie immer wieder anbieten. Natürlich gibt es auch Dinge, die einfach nicht schmecken. Ich würde es auch nicht schön finden, wenn mich meine Familie zwingt Austern zu essen 😉
Zu viele Reize auf einmal können überfordern. Da reichen schon intensive Kräuter auf dem Lieblingsgericht, um in einer Katastrophe zu enden. Weniger ist mehr oder auch Autonomie fördern und die Petersilie selbst auf die Kartoffeln streuen lassen.

Schutzmechanismus
Wir haben ein sehr breites Angebot an Lebensmitteln für unsere tägliche Ernährung. Kinder brauchen Zeit, um dieses Angebot wirklich kennen zu lernen. Hier sollten wir Erwachsene immer an unsere Vorbildfunktion denken. Wie vielfältig essen wir selbst? Wie reagieren wir auf unsere Mahlzeiten? Welche Wertschätzung bringen wir Lebensmitteln entgegen? Wenn wir also kaum Gemüse essen, wie können wir es von unseren Kindern verlangen?
Kinder bevorzugen häufig Süßes. Süße Lebensmittel verbinden wir mit ungiftig und energiereich. Ein natürlicher Schutzmechanismus. Auch bestimmte Farben sprechen Kleinkinder an. Helle, beige oder braune Lebensmittel drücken einen hohen Energiegehalt aus (z.B. Getreide, Pasta, Reis usw.) Intensive Farben hingegen werden oft mit Skepsis betrachtet. So punktet der süße Apfel mehr als der wunderbar grüne Brokkoli. Das ändert sich mit der Zeit, weil Kinder sehen, wie wir Erwachsene oder andere Kinder diese Lebensmittel essen. Erste eigenen Geschmackseindrücke werden gesammelt. Wenn wir Erwachsene ein neues Gericht oder Lebensmittel probieren, entscheiden wir sehr rasch ob es uns schmeckt oder nicht. Wir bewerten nach erlebten Eindrücken, Gewohnheiten und aktuellen Sinneseindrücken. Kinder haben noch keinen so großen Erfahrungsschatz aufgebaut. 10-15 Mal probieren Kinder Lebensmittel, um ihr Entscheidung zu treffen. Das bringt 15 Möglichkeiten, das Lebensmittel lieben zu lernen. Änderung der Konsistenz (püriert, knackig oder roh…) oder auch die Schneidetechnik kann hier schon sehr viel ausmachen. Ich mag schließlich meinen Gurkensalat in Stiften auch viel mehr als in Scheiben 😉

Atmosphäre bei Tisch
Stress, Streitgespräche oder Ablenkungen sollten beim Essen gemieden werden. Schlechte Stimmung wird sonst in Zusammenhang mit dem Essen gebracht. Da hat die Brokkoli-Quiche von Anfang an keine Chance. Denken wir an unser letztes Essen mit Freunden oder den Geburtstagskaffee. Wir haben gefeiert, gelacht und eine schöne Zeit verbracht.
KOMMUNIKATION – ein Zauberwort für den Esstisch. Es klingt so altmodisch, ist aber einen Versuch wert. Smartphones weg vom Tisch, auch keine Tablets oder Bücher, die vom Essen ablenken. Wie wärs, wenn die Essenszeit genutzt wird, um positive Erlebnisse auszutauschen? Ich frage meine Kinder oft: „Worüber habt ihr heute lachen müssen?“ Auch das erzählen von positiven Situationen des Tages verbindet.
Ich sehe gerade im Urlaub oder im Restaurant immer wieder Familien, die Kinder vor ein Tablet setzen und so ganz nebenbei füttern oder ältere Kinder mit dem Handy in der Hand essen. Ich sehe das durchaus sehr kritisch. Ich kann verstehen, dass man im Urlaub einfach mal entspannt essen mag und es so einfacher wird, weil die Hektik am Esstisch abnimmt. Der Alltag sollte aber nicht von Ablenkungen beim Essen geprägt sein. Der Effekt für die Kinder kann ein verschobenes Sättigungsgefühl sein. Das kennen wir Erwachsene doch auch. Vor dem TV snacken führt zu größeren Mengen, bei Kleinkindern eventuell durch die Ablenkung aber auch zu geringerer Nahrungsaufnahme.

Nudging beim gemeinsamen Essen
Ein winziger Schubser in die gesunde Richtung gewünscht?
- Gemüse ansprechend und täglich anbieten: Die Chance ist größer, dass die Kinder davon essen. Studien zeigen, dass in netter Atmosphäre und vor allem ohne Zeitdruck mehr Gemüse und Obst gegessen wird.
- Mitarbeiten lassen: Kleine Kinder waschen bekanntlich nicht ab, sie lernen aber beim Mitkochen so viel, da sollte man das anschließende Chaos einfach akzeptieren. Regelmäßigkeiten wie: Die Abendjause bereiten wir wenn möglich gemeinsam zu. Beim Mittagessen darfst du die Teller und das Besteck auf den Tisch legen usw. Größere Kinder können fixe Aufgaben erhalten z.B. Diese Woche bist du mit Tischdecken dran, das Geschwisterkind mit Tischabräumen.
- Freude an Neuem: Wie wärs bei Einkäufen die Kinder bei der Obst und Gemüsetheke etwas aussuchen zu lassen, das sie noch nicht kennen. Ich fand das sehr spannend, für welche Lebensmittel sich meine Kinder entschieden haben. Tatsächlich wurde bei uns einmal Romanesco ausgewählt, weil meine Tochter in der Dinosaurierphase war und das Gemüse hat sie irgendwie daran erinnert.
- Von Papa’s Teller schmeckt es noch viel besser: Kosten von einem anderen Teller ist für manche Kinder einfacher. Es bringt keine Zwang mit, es mögen zu müssen.
- Mundgerechte Stücke: Wer kennt es nicht – der Obstteller wird viel lieber gegessen, wenn alles schön geschnitten ist. Der Obstkorb daneben ist nicht so einladend.

Selbstreflexion Speisenangebot und Atmosphäre
Folgende Fragen können helfen, die eigenen Situation am Esstisch zu hinterfragen:
- Ist unser Angebot an Mahlzeiten und Speisen vielfältig und abwechslungreich? (Oder gibt es dauerhaft nur Gerichte, die besonders beliebt bei den Kindern sind und zu keinen Schwierigkeiten bei Tisch führen?)
- Dürfen sich die Kinder beim Einkauf, der Zubereitung, beim Tischdecken beteiligen?
- Ist das Essen an einem Tisch bei uns eine angenehme Situation?
- Gehe ich auf die Bedürfnisse unserer Kinder genügend ein? z.B. Ist der Sitzplatz kindgerecht? Gibt es kindgerechtes Besteck? Haben wir bei den Mahlzeiten ausreichend Zeit? usw.
Fazit
Mit Essen verbinden wir so viel mehr als nur Nahrungsaufnahme. Wichtig ist, sich der unglaublichen Chance und auch der Verantwortung bewusst zu sein, was wir mit unserem Essen an unsere Kinder alles weitergeben!
Was mir noch wichtig ist: Mama, Papa, Oma oder Opa und wer auch immer für das tägliche Essen zuständig ist, sie verdienen Wertschätzung für diese wichtige Arbeit!
Literaturquelle: Ernährungsumschau 08/2025, Bildungsort Esstisch